In diesem Artikel befassen wir uns kurz mit dem aktuellen Stand der Literatur zur Frage: Was ist eigentlich Shared Leadership?

Der Shared Leadership-Ansatz beschreibt einen dynamischen  und interaktiven Beeinflussungsprozess von Individuen in einem Team, die das Ziel haben, sich gegenseitig zu einem Gruppen- und/oder organisationalen Ziel zu führen (Pearce & Conger, 2003). Der entscheidende Unterschied dieses Ansatzes im Vergleich zu traditionellen Ansätzen der Führungsforschung ist die Tatsache, dass der Beeinflussungsprozess („influence process“) mehr Personen als die ernannte oder gewählte Führungskraft umfasst. In der Vergangenheit erfasste der Begriff „Führung“ ein einzelnes Individuum, den Vorgesetzten, und dessen Beziehung zu seinen Mitarbeitern. Dementsprechend von Bedeutung ist die Frage nach der Verteilung von Führung innerhalb von Teams und während die traditionelle Forschung eher im Bereich der Einzelführung fokussiert ist (siehe links in der Abbildung), konzentriert sich die Shared Leadership Forschung auf den erheblich größeren Bereich auf der rechten Seite, schließt aber die Führung Einzelner nicht aus. Oder um es mit anderen Worten zu sagen:

"To whit, all leadership is shared leadership, it is simply a matter of degree"

- Pearce, Manz & Sims (2014, XI)

Abbildung: Die Verteilung von Shared Leadership, angelehnt and Offermann & Scuderi in Meindl & Shamir, 2007

Um Shared Leadership von anderen, ähnlichen Führungskonstrukten abzutrennen, wurden zudem einige Dimensionen, bzw. eindeutige Eigenschaften dieses Führungsansatzes in der Forschung betont. Demnach ist Shared Leadership ein Führungsprozess der innerhalb von Teams (Internal) von Personen ausgeführt wird, die aber keine Verantwortung für das Gesamtergebnis der Teamarbeit tragen (Informalität). Dementsprechend betrachtet Shared Leadership in erster Linie Führung, die von Teammitgliedern ausgeht die aber einer formalen und damit verantwortlichen Führungskraft unterstehen (D'Innocenzo, Mathieu & Kukenberger 2014; Morgeson, DeRue & Karam, 2010).

 Dimensionen von Shared Leadership, basierend auf Morgeson et al. 2010

Beim Shared Leadership-Ansatz verteilt sich die Führungsaufgabe auf mehrere Individuen in einem Team oder einer Organisation und liegt nicht zentral in den Händen einer Person, die die Rolle des Vorgesetzten übernimmt. Dabei wechseln die Team- bzw. Organisationsmitglieder je nach Erfordernis aktiv und zielgerichtet die Führungsrollen, damit im Kollektiv auf gemeinsame Ziele hingearbeitet werden kann. Dieser Wechsel zwischen Führungs- und Mitarbeiterrollen zeichnet Shared Leadership  aus. Dementsprechend, wenn man klassiche formale Führung und Shared Leadership grafisch darstellt, kann man die deutlich höhere Dichte an Führungsverbindungen erkennen.

Links: Formale Führung mit A als Führungskraft. Rechts: Shared Leadership.

Entscheidend für eine erfolgreiche temporäre Übernahme der Führungsrolle sind das spezifische Wissen und die diversen Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder in Bezug auf die organisationalen Projekte und Ziele. Aus diesem Grund eignet sich Shared Leadership besonders für die Lösung komplexer Aufgaben, die Kreativität, Innovation und Interaktionen erfordern (Hoch, 2013).  Dadurch können in Teams eine gesteigerte Teameffektivität und höhere Leistung erreicht werden (D'Innocenzo et al., 2014; Nicolaides et al., 2014; Wang et al., 2014). Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass alle Mitglieder eines Teams sich immer im gleichen Maße an der Führung beteiligen, deshalb sehen Führungsstukturen in wirklichen Teams oftmals so aus:

Führungsnetzwerk eines Teams.

Da sich Shared Leadership in drei aktuellen Meta-Analysen als äußerst positiv für die Teamleistung erwiesen hat (D'Innocenzo et al., 2014; Nicolaides et al., 2014; Wang et al., 2014), ist es natürlich umso wichtiger und interessanter herauszufinden, wie Shared Leadership zu Stande kommt. Warum beteiligen sich bestimmte Personen mehr oder weniger an den Führungsprozessen im Team und wie kann man dies noch ausweiten?


Das Forschungsprojekt Shared Leadership Studies widmet sich diesen Ursachen. Eine erste Arbeit dazu wurde von Anika Reiter (2015) verfasst, die in ihrer Bachelor Arbeit "The Antecedents of Shared Leadership" eine umfassende Übersicht (Review) erarbeitet hat. Mit Dank an die Autorin stellen wir diese Arbeit hier zur Verfügung. Generell stellt Frau Reiter fest, dass es zwar schon Forschung zu den Ursachen gibt, diese aber noch in den Kinderschuhen steckt und dementsprechend ausgeweitet werden sollte. Dies ist demnach das Ziel unseres Forschungsprojektes.