Konstanzer Studie zur öffentlichen Wahrnehmung des Krisenmanagements in der Covid-19 Pandemie
Im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundprojektes "Entstehung und gesellschaftliche Wirkung hybrider Organisationen im lokalen Krisenmanagement" an der Universität Konstanz untersuchen Steffen Eckhard und Alexa Lenz staatliches Handeln in der Corona-Krise und dessen öffentliche Wahrnehmung.
Hierzu wurden über das Umfrageinstitut YouGov in mehreren Wellen Personen befragt, die repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren sind. Um die Entwicklung der öffentlichen Meinung im Zeitverlauf zu verfolgen, wurde die Befragung im Rahmen eines Längsschnittdesigns mehrfach wiederholt.
Darüber hinaus wurden zu Beginn der Pandemie ein spezielles Umfragedesign umgesetzt, dass die Wahrnehmung des Krisenmanagements durch die Bevölkerung in verschiedenen deutschen Kreisen vergleichbar macht.
Zusätzlich wurden alle Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland in einer Online-Befragung zu den Herausforderungen und Lösungsansätzen in ihren Verwaltungen befragt. Die Ergebnisse der Umfragen geben wichtige Einblicke in das Krisenmanagement deutscher Verwaltungseinrichtungen auf Kreisebene und wie es zum Aufbau von überbrückendem Sozialkapital beitragen kann.
Repräsentativer Bevölkerungssurvey
Die wichtigsten Zwischenergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage lauten wie folgt: Während die Covid-19-Pandemie im ersten Jahr nicht zu einem nennenswerten Vertrauensverlust zwischen Staat und Bevölkerung geführt hat, wurde das Krisenmanagement als zu zurückhaltend empfunden. Gleichzeitig nahmen die Befragten eine geringere Solidarität innerhalb der Gesellschaft wahr.
Die Zwischenergebnisse zur Corona-Pandemie sind in einem ausführlichen Bericht hier zum Download verfügbar:
Ergebnisbericht PPCM-Studie, alle Wellen
Ältere Ergebnisse sind hier zugänglich:
Kaum Vertrauensverluste in Politik und Behörden: Durch die Corona-Krise ist es während dem ersten Jahr zu keinem nennenswerten Vertrauensverlust zwischen Staat und Bevölkerung gekommen. Dennoch bewertet eine Mehrheit der Befragten die Maßnahmen zur Krisenbewältigung als nicht ausreichend. Auch von den bürgernahen Institutionen wünschen sich die Menschen eine deutlich aktivere Rolle. Im März 2021 stimmten mehr als 60 Prozent der befragten Personen der Aussage zu, dass die Kommunen zu zögerlich agieren. Als Beispiel wurde der Aufbau der Testinfrastruktur im Winter 2020/2021 genannt. Für die Mehrheit der Bevölkerung hat der Staat die Corona-Pandemie aber bisher alles in allem zufriedenstellend gemeistert, wobei die bevorstehende Welle im Winter 2021/22 diese Zwischenbewertung durchaus noch trüben kann. Anders als im ersten Jahr der Pandemie, kommt die neue Welle nicht so unerwartet und die Frustration in der Bevölkerung wächst.
Zunehmende Kritik am Föderalismus: Während die Kritik am Föderalismus von der ersten zur zweiten Welle abnahm, steigt der Anteil der Befragten, die den Föderalismus kritisch sehen, in der dritten und vierten Welle deutlich an. Fast 60% geben im Februar 2021 an, dass der Föderalismus nicht hilfreich bei der Bewältigung der Krise sei. Die Diskrepanzen zwischen den einzelnen Ländern und der Bundesregierung bei der Bewältigung der zweiten Welle scheinen für Unzufriedenheit gesorgt zu haben.
Veränderungen bezüglich der Anerkennung situationsangepassten Handelns vor Ort: In den Wellen 1-3 stand der generellen Kritik am Föderalismus die Beobachtung gegenüber, dass die Kritik an den öffentlichen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit tendenziell dort höher ausfällt, wo weniger Fälle auftreten. Ein Zusammenhang zwischen geringerer Fallzahl und kritischerer Bewertung des Krisenmanagements durch die Bürger*innen bestätigt sich in Welle 4 nicht. Insgesamt wuchs die Kritik an den Maßnahmen seit Pandemiebeginn.
Weniger Solidarität in der Krise: Das individuelle Grundvertrauen der Befragten in ihre Mitmenschen ist in der Krise relativ konstant geblieben, während der Wahrnehmung nach die Solidarität in der Krise abnahm. Gerade hier zeigten sich auch Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Gruppen: Menschen über 60 Jahre erlebten die Gesellschaft als solidarisch, Eltern von kleinen Kindern nahmen etwas weniger Solidarität wahr.
Weniger gesellschaftlicher Zusammenhalt insgesamt: Insgesamt denken nur 20 Prozent der Befragten, dass Deutschland in einer Krisensituation stark zusammenhält, 34 Prozent erwarten keinen Zusammenhalt. Zu den Erklärungsfaktoren dafür muss weiter geforscht werden. Vermuten lassen sich aber schon jetzt Faktoren wie die Affäre um die Maskenbeschaffung, wie die Querdenker-Bewegung und die Verschärfung der Vermögensungleichheit während der Pandemie.
Vergleichende Landkreisbefragung in 27 Kreisen
Um die Wahrnehmung des Krisenmanagements durch die Bevölkerung in verschiedenen deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten zu vergleichen, wurde ein Umfragedesign umgesetzt, dass den Vergleich von 27 Kreisen erlaubt. Pro lokaler Einheit liegen dafür ca. 40 Antworten von ansässigen Bürger*innen zu ihrer Wahrnehmung und Bewertung des Krisenmanagements in der Covid-19 Pandemie und der sogenannten „Flüchtlingskrise“ von 2015/16 vor. Die Stichprobengröße gewährleistet eine ausreichende Vergleichbarkeit, Ausgewogenheit und Diversifikation der Teilnehmer*innen in jedem Kreis.
Mehr Informationen zur Vorgehensweise und zum Inhalt der Umfrage sind in einem ausführlichen Bericht hier zum Download verfügbar: Bericht zur Vergleichenden Landkreisbefragung
Bundesweite Verwaltungssurvey
Als klassisches nicht-routinemäßiges Problem, das alle Landkreise und kreisfreien Städte betraf bzw. betrifft, bietet Covid-19 eine einzigartige Möglichkeit eine quantitative Studie zum Verwaltungshandeln durchzuführen. Um ein besseres Verständnis für die Herausforderungen deutscher Kommunalverwaltungen in der Covid-19-Pandemie zu gewinnen, wurden im Rahmen des Projektes Interviews mit mehreren Behördenvertreter*innen in deutschen Kreisverwaltungen geführt. Diese Interviews bildeten die Grundlage für eine Online-Befragung, zu der später alle 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte eingeladen wurden. Insgesamt nahmen 46,63 % der Landkreise an dem quantitativen Survey teil. Thematisch befasste sich die Umfrage mit Problemen und Lösungsansätzen innerhalb der Kommunalverwaltungen während der Pandemie.
Ergebnisse der Interviews und Online-Befragung sowie detaillierte Informationen zur Vorgehensweise sind in einem ausführlichen Bericht hier zum Download verfügbar: Bericht zur Verwaltungssurvey
Insgesamt zeigen die Daten, dass Überstunden der Verwaltungsmitarbeiter sowie das Einführen von Schicht- und Wochenenddiensten notwendig waren, um die Covid-19 Pandemie zu bewältigen. Einen weiteren wichtigen Teil des Krisenmanagements stellte die pragmatische Auslegung der Datenschutzbestimmungen dar. Insgesamt war der Bereich der Digitalisierung von zentraler Bedeutung, wobei die Mehrheit der Landkreise ihre Kapazitäten und Kompetenzen während der Krise ausbauen konnte.
Weitere große Herausforderungen für viele Kommunalverwaltungen waren die Zusammenarbeit mit übergeordneten Behörden sowie die Einbeziehung von freiwilligen Helfer*innen. Obwohl das Krisenmanagement in erster Linie soziale Distanz erforderte, spielten Freiwillige während der Covid 19-Pandemie eine wichtige Rolle.
Von zentraler Bedeutung für die Krisenarbeit war auch die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Hier spielten soziale Medien und Websites neben den Printmedien eine besonders große Rolle bei der Pandemie, wobei auch Bürgertelefone eine wichtige Maßnahme darstellten. In Bezug auf Lerneffekte gab die Mehrheit der Befragten an, dass ihre Verwaltung aus dem Umgang mit der sogenannten Flüchtlingskrise gelernt habe, und dass diese Lehren ihre Reaktion auf Covid-19 beeinflusst hätten.
Faktenübersicht:
- Studie am Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz untersucht die öffentliche Wahrnehmung staatlichen Handelns in der Corona-Krise sowie die Solidarität untereinander im Rahmen eines Längsschnittdesigns
- Ergebnis Bevölkerungssurvey: Kein nennenswerter Vertrauensverlust zwischen Staat und Bevölkerung durch die Corona-Krise. Das Krisenmanagement wird als zu zurückhaltend bewertet. Innerhalb der Gesellschaft sinkt die wahrgenommene Solidarität.
- Weitere Surveys umfassen eine vergleichende Landkreisbefragung in 27 Kreisen sowie eine Befragung von lokalen Behördenvertreter*innen in ganz Deutschland
- Studie im Rahmen des Verbundprojektes „Entstehung und gesellschaftliche Wirkung hybrider Organisationen im lokalen Krisenmanagement“ (HybOrg) an der Universität Konstanz
- Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)