Making Cities Smarter: Arbeitspraktiken für die Smart-City-Transformation
Ein Artikel von Professor Dr. Ali Guenduez, Professor Dr. Ines Mergel und Professor Dr. Kuno Schedler
Kurzzusammenfassung
Dieses Projekt wurde aus Mitteln des EU-Interreg-Projektes Nr.: ABH 088 gefördert.
Smart City Manager*innen (SCM) sind auf institutionelle Arbeit angewiesen, um Wandel in ihren Städten voranzutreiben. Institutionelle Arbeit sind jene Verhaltensweisen und Arbeitspraktiken, die notwendig sind, um institutionelle Umgebungen zu verändern (DiMaggio, 1998). SCM, die institutionelle Arbeit leisten, versuchen Menschen hinter einer gemeinsamen Vision zu vereinen. Sie motivieren zu aktiver Teilnahme und versuchen über Kooperationen gemeinsame Herausforderungen zu meistern. Es ist an ihnen neue Arbeitspraktiken zu initiieren und umzusetzen. Dabei agieren sie wie institutionelle Unternehmer, Innovatoren oder Change-Agents. Welche spezifischen Arten von institutionellen Arbeitspraktiken notwendig sind, um Institutionen in Richtung Smart City Transformation zu verändern, ist Thema dieses Artikels.
Kontext
Der Begriff Smart City bezieht sich auf das Engagement und die damit verbundenen Bemühungen einer Stadt, in Bereichen wie Governance, Humankapital, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Umwelt oder Wohnen fit für die Zukunft zu werden (Lombardi et al. 2012). Städte entwickelten sich in kürzester Zeit zu einem wichtigen Forschungsbereich (Mora, Bolici, and Deakin 2017). Ein Großteil der Literatur legt seinen Schwerpunkt auf die technologischen Aspekte der Digitalisierung von Verwaltungen. Nur wenig Forschung untersucht die notwendigen Arbeitspraktiken, die die Smart-City-Transformation vorantreiben. Es muss die Frage gestellt werden, wie SCM Innovationen in Städten fördern können, um smarter zu werden – um sich zu besseren Orten des Lebens, Arbeitens, Studieren und Spaß haben zu entwickeln (Lara et al. 2016)
Die größten Hindernisse für Smart-City-Transformationen sind institutionelle Rahmenbedingungen (Schedler, Guenduez, Frischknecht, 2019). Um unhinterfragte Praktiken und Normen zu ändern und Veränderung anzustoßen, muss institutionelle Arbeit eingesetzt werden. Institutionelle Arbeit umfasst die zielgerichteten Handlungen von Akteuren, die darauf abzielen, Institutionen zu schaffen, zu erhalten und zu stören (Lawrence and Suddaby 2006). Sie setzt sich aus mehreren Aspekten zusammen. Integrale Bestandteile sind Mobilisierungsaktivitäten wie die Aktivierung von finanziellen Ressourcen oder Taktiken, um die Veränderungen bestehender Praktiken zu rechtfertigen und zu legitimieren.
Methode
Im Rahmen einer mehrerer qualitativer Fallstudien wurden Experteninterviews mit SCM durchgeführt. Die 40 ausgewählten Interviewpartner sind Mitarbeiter*innen der öffentlichen Verwaltung mit Einblicken in die Smart-City-Transformation führender Smart Cities rund um den Globus, teilweise gelistet im Smart City Index (2019). Die Interviews wurden in einem dreistufigen Prozess ausgewertet, um die Konzepte, Aktivitäten und Praktiken die Städte smarter machen, herauszuarbeiten. Im Einklang mit Saldaña (2013) beinhaltete die Analyse kontinuierliche Iterationen zwischen Daten und der in der Literatur identifizierten Theorie der institutionellen Arbeit.
Welche Arbeitspraktiken fördern Smart-City-Transformation?
Im Folgenden werden sieben Arbeitspraktiken aufgezählt, welche darauf abzielen, die Smart-City-Transformation voranzutreiben. Die Ergebnisse bieten zugleich praktische Implementierungsmöglichkeiten, die SCM nutzen können, um ihre Städte smarter zu machen.
Mitarbeitende zu Innovationen ermutigen
Öffentliche Verwaltungen sind nicht die innovativsten Organisationen. SCM sollten daher Bedingungen für Innovationen schaffen und fördern. Beispielsweise können SCM eigenständig innovative Ideen und Smart-City-Projekte aktiv in den Diskurs miteinbringen. Die Gewährleistung von Innovation durch inspirierende Aktionen sollte eine weitere Schlüsselaktivität sein. SCMs können zu Hackathons, Living Labs oder Innovation Hubs beitragen. Daraus resultierende Kooperationen mit Drittunternehmen und oder Start-ups werden Innovationen für eine fortlaufende Smart-City-Transformation weiter beschleunigen und können helfen, starre Strukturen zu überwinden.
Kollaboration für Innovation vorantreiben
Gute Zusammenarbeit ist eine Voraussetzung für Innovation und Smart-City-Transformation. Um dies zu erreichen, sind Partnerschaften innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung zentral. Enge Beziehungen zu externen Partnern sollten mit Hilfe kollaborativer Netzwerke aufgebaut werden, um neue Projekte, Produkte und Smart-City-Dienste zu entwickeln. SCM sollten außerdem ihre Erfahrungen und Best-Practices auf Smart-City-Konferenzen mit anderen Managern austauschen.
Innerhalb der städtischen Verwaltung müssen organisatorische Silos beseitigt werden. So wird die Interaktion zwischen den Beamt*innen erleichtert und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen gefördert. Um dies zu erreichen, sollten SCMs funktionsübergreifende Projektteams fördern und eine vermittelnde Rolle einnehmen, um Menschen zusammenzubringen.
Bürger*innen in den Mittelpunkt stellen
Die Bürger*innen sollten eine zentrale Rolle in der Arbeit der SCM spielen. Die Pflege des persönlichen Kontakts durch direktes Feedback oder soziale Medien hilft, die Stimmungen der Bürger*innen zu erkennen und folglich deren Bedürfnisse zu verstehen. Hier können partizipative Mechanismen wie Online-Plattformen oder Workshops die Einbindung der Bürger*innen weiter erleichtern.
Um smart zu werden, sollte die Interaktion mit den Bürger*innen so einfach wie möglich sein. Das Überdenken und Neugestalten von Verwaltungsprozessen und -dienstleistungen aus einer Bürger- oder Unternehmensperspektive hilft dabei, dieses Ziel zu erreichen.
Verlässlichkeit von datengesteuerter Governance nutzen
Daten sind eine der Grundlagen von Smart Cities. SCMs müssen innovative Informations-und Kommunikationstechnologien und die von ihnen erzeugten Daten nutzen. Die erste Komponente umfasst die Schaffung einer physischen und digitalen Infrastruktur, die zum Sammeln, Speichern, Analysieren und Teilen von Daten erforderlich ist. Die Einrichtung einer funktionierenden Infrastruktur reicht jedoch nicht aus, um die Nutzung für Beamte und Bürger zu gewährleisten. Es müssen weitere Anreize und ein allgemeines Bewusstsein geschaffen werden, um die Daten zu nutzen. Hierbei sollten SCM Sammlung und Austausch von Daten über Abteilungen hinweg kontinuierlich fördern bei zeitgleicher Rücksichtnahme auf Datenschutzverordnungen.
Die Verfügbarkeit von Ressourcen sicherstellen
Eine weitere Voraussetzung für die Smart-City-Transformation sind ausreichend Ressourcen. Die Verfügbarkeit von finanziellen und personellem Kapital bestimmt die Umsetzung von Projekten. Um ausreichende Ressourcen sicherzustellen, müssen SCM die Unterstützung der lokalen Wählerschaft, der Bürger*innen, der Beamten*innen und der privaten Unternehmen gewinnen. Dadurch werden beispielsweise Widerstände und Zweifel reduziert, wenn der Nutzen von Smart-City Projekten in Frage gestellt wird.
Neue Fähigkeiten und Kompetenzen als Beschleuniger für Smart-City-Transformation fördern
Die Fähigkeiten und Kompetenzen der Angestellten im öffentlichen Dienst beeinflussen die Smart-City-Transformation. Bislang mangelt es in den öffentlichen Verwaltungen an Mitarbeitenden mit den notwendigen Fähigkeiten. Insbesondere agile Projektmanagement Fähigkeiten, Führungsfähigkeiten, analytische Fähigkeiten, Selbstorganisationsfähigkeiten, Kommunikationsfähigkeiten, aber auch IT-bezogene Fähigkeiten sind unerlässlich, um Herausforderungen der Smart-City-Transformation zu meistern. Die Aufgabe der SCMs besteht darin, einen geeigneten Mix dieser Kompetenzen aufzubauen. Hier können Probleme bei der Rekrutierung von qualifizierten Arbeitskräften auftreten. Mitarbeiter*innen können durch kontinuierliches Lernen und Training bei gleichzeitiger Belohnung von kreativem Denken die fehlenden Fähigkeiten erlernen.
Außerdem können neue Methoden und Ansätze die Transformation beschleunigen. Die Einführung agiler Methoden könnte tief verwurzelte risikoscheue Einstellungen aufbrechen und die Anpassungsfähigkeit der Verwaltungen und ihrer Mitarbeiter*innen an Veränderungen stärken.
Eine gemeinsame Vision schaffen
SCM müssen ein geteiltes Verständnis für die Smart-City-Transformation schaffen. Eine konkrete Umsetzungs-Roadmap erzeugt, innerhalb und außerhalb der Verwaltung, ein gemeinsames Verständnis für die Ziele. Im Falle von Fragen verteidigt eine gemeinsame Strategie die notwendigen Initiativen und Investitionen, welche Städte im Transformationsprozess zu tätigen gedenken. Um weitere Zweifel zu vermeiden, müssen SCM Legitimität gewinnen und das Bewusstsein für Smart-City-Projekte bei den lokalen Wähler*innen erhöhen.
Theoretische und praktische Implikationen
1. Abgleichen eigener Arbeitsweisen mit vorgegebenen Vorschlägen
Die oben beschriebenen institutionellen Arbeitspraktiken sind Schlüsselelemente, um Smart-City-Transformation zu ermöglichen. Zuständige Mitarbeiter*innen des Transformationsprozesses werden ermutigt bestehende Arbeitspraktiken zu nutzen und mit den vorgestellten Erkenntnissen abzugleichen, um aktuelle Entwicklungen zu verbessern.
2. Ausgeglichene Betrachtung aller Teilaspekte institutioneller Arbeit
Die Smart-City-Transformation ist eng mit der Ermutigung und Zusammenarbeit der SCM für Innovationen verbunden. Darüber hinaus ist der Umgang mit neuen Technologien und Daten ein wesentlicher Aspekt ihrer Arbeit. Manager*innen müssen sowohl den technologischen als auch den menschlichen Aspekt von Smart Cities gleichermaßen berücksichtigen, um Innovation und Transformation in Städten zu schaffen.
Wichtige Punkte
Institutionelle Arbeitspraktiken sind ein integraler Bestandteil von SCM zur Transformation von Städten. Daher müssen SCM als institutionelle Unternehmer*innen agieren, um Standardabläufe, Normen und Barrieren zu verändern, die einer erfolgreichen Smart-City-Transformation im Wege stehen können. Sie müssen ein breites Repertoire an institutioneller Arbeit leisten, beginnend beim Aufbau von Motivation und neuen Fähigkeiten bis hin zur Schaffung von Legitimation innerhalb und außerhalb der Verwaltung. Zusätzlich werden neue Formen spezifischer institutioneller Arbeitspraktiken von SCM identifiziert, zum Beispiel die Förderung von Innovationen, bürgerzentriertes arbeiten und die Nutzung von Technologie und Daten. Wie diese Arbeitspraktiken die Transformation von Städten hin zu Smart Cities beeinflussen werden, ist derzeit noch nicht untersucht und sollte Gegenstand weiterer Forschung sein.
Zitierte Publikationen
DiMaggio, P. J. (1988). Interest and Agency in Institutional Theory. In L. G. Zucker (Ed.), Institutional Patterns and Organizations: Culture and Environment (pp. 3-22). Cambridge, MA: Ballinger.
IMD. 2019. IMD Smart City Index 2019 Lausanne, Switzerland: IMD.
Lara, A. P., Moreira Da Costa, E., Furlani, T. Z., & Yigitcanlar, T. (2016). Smartness that matters: towards a comprehensive and human-centred characterisation of smart cities. J. open innov, 2(8). doi: doi.org/10.1186/s40852-016-0034-z
Lawrence, T. B., & Suddaby, R. (2006). Institutions and institutional work. In S. Clegg, C. Hardy, T. B. Lawrence, & W. R. Nord (Eds.), Handbook of Organization Studies (2 ed., pp. 214–254). London: Sage.
Lombardi, P., Giordano, S., Farouh, H., & Yousef, W. (2012). Modelling the smart city performance. Innovation-the European Journal of Social Science Research, 25(2), 137-149. doi:10.1080/13511610.2012.660325.
Luca Mora, Roberto Bolici & Mark Deakin (2017) The First Two Decades of Smart-City Research: A Bibliometric Analysis, Journal of Urban Technology, 24:1, 3-27, DOI: 10.1080/10630732.2017.1285123 .
Saldaña, J. (2013). The Coding Manual for Qualitative Researchers (2 ed.). Thousand Oaks, CA: Sage.
Schedler, K., Guenduez, A. A., & Frischknecht, R. (2019). How smart can government be? Exploring barriers to the adoption of smart government. Information Polity, 2019(24), 3-20
Prof. Dr. Ali A. Guenduez
Prof. Dr. Ali A. Guenduez ist der Vice-Director IMP-HSG, Assistant Professor of Digital Government und Leiter des Smart Government Lab
Prof. Dr. Ines Mergel
Professor Dr. Ines Mergel ist ordentliche Professorin für Öffentliche Verwaltung im Fachbereich Politik und Öffentliche Verwaltung an der Universität Konstanz, Deutschland.
Prof. Dr. Kuno Schedler
Prof. Dr. Kuno Schedler ist Professor für Betriebswirtschaftslehre unter besonderer Berücksichtigung des Public Managements am Institut für Systemisches Management und Public Governance der Universität St. Gallen