Die Anwendung von Open Innovation im öffentlichen Sektor

Meret Clara Thomann

Kurzzusammenfassung

Die Stadt Friedrichshafen hat mit der „mach mit!“-Plattform eine Open Innovation-Initiative (OI) gestartet. Fünf Projekte der Stadtverwaltung wurden bis zum Zeitpunkt der Erstellung der vorgestellten Forschungsarbeit veröffentlicht. Auf dieser können die Bürger*innen ihre Ideen und Vorschläge zur Bearbeitung kommunaler Projekte einbringen. Hierbei reichte die Bandbreite der Projekte vom Kommunalhaushalt über stadtplanerische Maßnahmen bis hin zur langfristigen Stadtentwicklung.

Ziel der Arbeit ist es, anhand des Fallbeispiels Friedrichshafen, den Prozess der OI-Initiative in einer Kommune zu analysieren. Ein Fokus liegt darauf, aus welchen Gründen sich die Kommune zur Einführung der Plattform entschieden hat und welche Ziele sie damit verfolgt. Die Zielerreichung konnte nicht abschließend erforscht werden, da zum Zeitpunkt der Interviews keines der Projekte bereits abgeschlossen war. Jedoch zeigte sich, dass die Interviewpartner*innen der Friedrichshafener Kommunalverwaltung die bisherigen Erfahrungen im Rahmen der Initiative sehr positiv bewerten. Insgesamt wurde der Umgang mit Open Innovation als Bereich skizziert, bei dem sich die Verwaltung vor Ort in einem ständigen Lernprozess befindet.

Einbettung in den Kontext

Traditionell werden Verwaltungsinnovationen in einem geschlossenen Modell, z. B. vorgegeben durch Policies innerhalb der Verwaltung und ohne Einbezug der Bürgerschaft, konzipiert. Im Gegensatz dazu steht das Konzept „Open Innovation“, welches ermöglicht, Wissen und Ideen von Bürger*innen und Nutzer*innen zu nutzen und in den Innovationsprozess zu integrieren.

Im Zuge von Verwaltung 4.0, Digitalisierung und Open Government eröffnen sich neue Möglichkeiten und immer mehr Bereiche der Verwaltung erproben dabei die Nutzung von offenen Innovationsansätzen. Planungen sollen so nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden, sondern das Potential der Ideen und des Wissens der Bürger*innen soll integriert werden. Hierbei kommen die Konzepte des lokalen Wissens und der kollektiven Intelligenz zum Tragen. Idealerweise werden so verschiedene Vorschläge im Diskurs verschiedener Akteur*innen kombiniert und ergeben eine bessere Lösung. Die Bürger*innen werden einbezogen und können sich so auch außerhalb von Wahlen aktiv mit Problemstellungen von Politik und Verwaltung in ihrem direkten Lebensumfeld auseinandersetzen.

Methodik

Im Rahmen einer einzelnen Fallstudie, in diesem Fall der Plattform „mach mit!“ der Kommune Friedrichshafen, wurden insgesamt fünf Interviews durchgeführt. Interviewpartner*innen waren dabei die zentrale Organisationsstelle des Projektes, die als Stabstelle direkt beim Bürgermeister angesiedelt ist, sowie die zuständige Stelle des beauftragten IT- und Beratungsunternehmens, welche das Projekt sowohl technisch als auch inhaltlich unterstützte. Des Weiteren wurden mit drei Mitarbeiter*innen oder Amtsleiter*innen der Fachbereiche Interviews geführt, welche alle Projekte abdeckten, die sich zum Forschungszeitpunkt auf der Plattform befanden. Die transkribierten Interviewdaten wurden anschließend in einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet, welche mit Kategoriensystemen arbeitet (Mayring & Fenzl, 2014). So konnten rekonstruktiv Strukturen und Zusammenhänge der Aussagen aufgedeckt werden (Bohnsack, 2014).

Ergebnisse der Arbeit

Die Darstellung der Ergebnisse aus den Interviews folgt dem Phasenmodell für Open Innovation Projekte nach Mergel (2015). Dieses bietet die Möglichkeit die Prozesshaftigkeit einer solchen Initiative zu verdeutlichen und Schritt für Schritt nachvollziehbar zu machen.

Unter der Pre-Phase versteht man die Vorbereitung des Projektes. In dieser Phase werden die Ziele definiert, die die Kommune mit der Einführung der Internetplattform verfolgt. Diese lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Eine Zielkategorie stellt die Beteiligung dar, die aus einem normativen Anspruch besteht, die Bedürfnisse und Ideen der Bürger*innen einfließen zu lassen und die Etablierung einer Beteiligungskultur. Ein weiteres Ziel ist ein verbessertes Verhältnis zwischen Politik, Verwaltung und der Bürgerschaft. So soll Verwaltungshandeln mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz erfahren und gleichzeitig das Verständnis der Bürger*innen für die Spannungsfelder der Verwaltung erhöht werden. Ein Ziel des Projektes ist außerdem die Nutzung des Wissens der Bürger*innen. Dies soll erreicht werden, indem die Fachbrille der Verwaltung abgesetzt und die Erfahrungen der Bürger*innen mit der Wirkung von Maßnahmen einbezogen werden. Die Bürger*innen verfügen über Alltagsexpertise, die die Verwaltung nicht erbringen kann, daher ist das Ziel, neue Perspektiven zu sehen und Potenziale zu nutzen. Ein weiteres Ziel, das mit der Einführung der Plattform verbunden ist, ist die Nutzung technischer Möglichkeiten, die einen niedrigschwelligen Kontakt und Interaktion zwischen Bürgerschaft und Verwaltung ermöglicht. So sollen auch Menschen erreicht werden, die nicht an Präsenzterminen und Workshops teilnehmen können.

In der ersten Phase werden die Ideen der Bürger*innen gesammelt. Je nach Konkretisierung der Fragestellung und nach inhaltlicher Ausrichtung des Projektes, können hier ganz unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden. Die Beiträge werden auf der Plattform moderiert und eine Duplikatserkennung eingesetzt. Am Ende der Ideensammlung wird ein Gesamtüberblick erstellt.

In Phase zwei werden die vorgeschlagenen Ideen auf der Plattform bewertet und eine Interaktion zwischen Bürger*innen miteinander und mit der Verwaltung ermöglicht. Hierbei wird je nach Projektinhalt individuell entschieden, welche Funktionen zugelassen sind. Die Bewertungsfunktion ermöglicht Abstimmungen, während das Verfassen von Kommentaren eine argumentative Auseinandersetzung mit den Ideen beinhaltet. Die Interviewpartner*innen warfen jedoch die Frage auf, wie repräsentativ die hier erzielten Ergebnisse, zum Beispiel aus den Abstimmungen über verschiedene Ideen, sein können.

In der dritten Phase werden die Ideen intern in der Verwaltung evaluiert. Hierbei sind verschiedene Akteur*innen beteiligt, beispielsweise Projektsachbearbeiter*innen aus den jeweiligen Fachbereichen oder wenn nötig auch die Amtsleitung. Bei besonders wichtigen politischen Dimensionen der Ideen, kann auch der Bürgermeister hinzugezogen werden. Dazu werden die Ideen zunächst sortiert und ein Abwägungsprozess nach rechtlichen Vorgaben und Umsetzbarkeit beginnt. Dieser mündet in fachlichen Stellungnahmen und die Ideen werden dann gegebenenfalls in Gemeinderatsvorlagen mit Verwaltungsempfehlungen umgewandelt.

In der vierten und letzten Phase werden die Ideen implementiert. Hier gibt es je nach Projekt Unterschiede, ob die Ideen der Bürger*innen direkt in Gemeinderatsvorlagen eingearbeitet werden, welche politisch beschlossen werden, oder ob ein mehrstufiges Verfahren angewendet wird. Dieses Verfahren kann beispielsweise aus der Einbindung der Ideen in Wettbewerbsausschreibungen für städtebauliche Maßnahmen oder anschließenden Workshops mit Planungsbüros und/ oder Bürger*innen bestehen. Die Überprüfung der Implementation gestaltet sich jedoch als schwierig, da zu diesem Zeitpunkt kein Projekt bereits ganz abgeschlossen war.


Praktische Implikationen

Implikationen für die Praxis ergeben sich aus den Verfahrensweisen, die sich in Friedrichshafen bewährt und als erfolgversprechend erwiesen haben. Dazu gehört, dass von Beginn an klare Ziele gesteckt wurden, die mit der Plattform „mach mit!“ erreicht werden sollen. Hierzu zählt beispielsweise der weitere Einbezug der Bürgerschaft in die Verwaltungstätigkeit samt Erhöhung der Transparenz oder die gezielte Nutzung des Wissens der Bürger*innen, welches der Verwaltung nicht selbst vorliegt.

Voraussetzungen für das Gelingen von Open Innovation Ansätzen sind zudem die Fähigkeit der Organisation, offen für Ideen zu sein, und diese intern zu verwerten. Dafür müssen administrative Ressourcen und Kapazitäten vorhanden sein, die eine inhaltliche Bearbeitung der Beiträge der Bürger*innen möglich macht. Für die inhaltliche Weiterentwicklung der Ideen und Konzepte stellte bei „mach mit!“ die Kommentarspalte ein gewinnbringendes Werkzeug dar. Ein offener Umgang in der Evaluierung der Ideen und eine Antwort der Verwaltung auf die einzelnen Beiträge wird als besonders wichtig für die Glaubwürdigkeit und Transparenz empfunden. Zudem wurde das Onlineverfahren teilweise durch Workshops vor Ort ergänzt, um möglichst viele Optionen zur Beteiligung und inhaltlichem Austausch mit den Bürger*innen zu schaffen. Gleichzeitig ist es herausfordernd, die Bürger*innen einzubeziehen, aber auch zu vermitteln, dass nicht alle Ideen gleichermaßen berücksichtigt und umgesetzt werden können.

Trotz der Potenziale von Open Innovation-Initiativen, die bei der Betrachtung der „mach mit!“ Plattform sichtbar wurden, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass eine Übertragung der Vorgehensweisen auf andere Kommunen nicht zwingend dieselben positiv bewerteten Ergebnisse hervorbringen wird – so gab es selbst zwischen den Projekten in Friedrichshafen bereits große Unterschiede.

Über Meret Clara Thomann:

Meret Thomann beendete im Frühjahr 2017 ihr Bachelorstudium an der Universität Konstanz im Studiengang Politik- und Verwaltungswissenschaften. Seit September 2018 absolviert sie den Masterstudiengang Management, Organisation und Kultur an der Universität St. Gallen.