Gemeinsam mit Bürgern Innovationen entwickeln

Ergebnisse einer Fallstudie - Nathalie Haug

Kurzzusammenfassung

Die Entwicklung von Innovationen in der öffentlichen Verwaltung bringt viele Herausforderungen mit sich, vor allem, wenn Akteure außerhalb der Verwaltung, wie beispielsweise Vertreter bürgerschaftlicher Gruppen oder Nutzerinnen von Verwaltungsdienstleistungen im Entwicklungsprozess mit beteiligt sind. Dieser Artikel beschreibt exemplarisch, mit Hilfe der Ergebnisse einer Fallstudie, wie eine Innovation mit mehreren Akteuren entwickelt wurde. Dabei wurde Faktoren identifiziert, auf die Entscheidungsträger besonders achten müssen, um eine Innovation erfolgreich umzusetzen. Wichtig sind (1) die kontinuierliche Kommunikation der (Zwischen-) Ergebnisse an Vorgesetze, (2) motivierte Individuen, die die Innovation innerhalb der Organisation promoten sowie (3) ein sachliches Diskussionsklima, das beispielsweise durch den Miteinbezug eines externen Moderators hergestellt wird. 

Theoretische Erklärungen für Innovationsprozesse in der öffentlichen Verwaltung

Ziel des Innovationsprozesses war, einen neuen Prozess für Bürgerbeteiligung zu entwickeln, der Beteiligungsverfahren fest im Tagesgeschäft der Verwaltung verankern soll, die sogenannten Leitlinien für Bürgerbeteiligung. Dazu wurde eine Projektgruppe mit Mitgliedern aus der Verwaltung, dem Gemeinderat und der Bürgerschaft ins Leben gerufen. Die Gruppe traf sich insgesamt neun Mal, über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren.

Um den Innovationsprozess zu erklären wurden zwei Ansätze herangezogen. Der erste Erklärungsansatz stammt von Sorensen und Torfing (2011), die für Innovationsentwicklung mit mehreren Akteuren eine theoretische Grundlage erarbeiten. Sie definieren mehrere Phasen, wie z.B. die Phase der Ideenentwicklung und Prozesse, die während des Innovationsprozesses stattfinden, wie z.B. die adäquate Beteiligung aller Akteure. Diese theoretische Grundlage ist wichtig, um die unterschiedlichen Phasen des Innovationsprozesses an sich, sowie Dynamiken innerhalb der Projektgruppe zu erklären. Als zweiter Erklärungsansatz diente das Framework von Voorberg, Bekkers und Tummers (2015), die beschreiben, wie die öffentliche Verwaltung Prozesse mit mehreren Akteuren begünstigen kann. Sie arbeiten mehrere Faktoren heraus, wie beispielsweise die Unterstützung der Verwaltung, eine aufgeschlossene Haltung zu Bürgerbeteiligung sowie motivierte Individuen, die neue Prozesse in der Verwaltung gestalten wollen. Mit dieser Theorie wird eine Grundlage geschaffen, um die Prozesse innerhalb der Verwaltung zu erklären, die die Innovationsentwicklung mit beeinflussen.

Abbildung 1 zeigt den Innovationsprozess der Fallstudie. In der Abbildung werden zwei Phasen deutlich. Die erste Phase zeigt die Entwicklung der Leitlinien in der Gruppe, gefolgt von der Änderung des Prototyps der Innovation durch die Verwaltung in Phase 2, die in einem Entwurf der Verwaltung für die Leitlinien resultierte. Im Folgenden werden die Faktoren, die sich für die Umsetzung als essentiell herausgestellt haben näher erläutert.

Abb. 1: Entwicklungsprozess der Innovation

Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung aufrechterhalten

In der Entwicklungsphase der Leitlinien für Bürgerbeteiligung arbeitete die Projektgruppe getrennt von der Verwaltung. Zwar hatten die Mitglieder der Verwaltung in der Projektgruppe zum Ziel, die Ergebnisse der Projektgruppe regelmäßig in die Verwaltung zu kommunizieren, jedoch fand diese Kommunikation aus mehreren Gründen nicht statt. Stattdessen wurden Entscheidungsträger innerhalb der Verwaltung zu spät in Kenntnis über die Projektgruppenarbeit gesetzt, was zwei Entwicklungen zur Folge hatte. Erstens fand eine Projektgruppensitzung statt, in der die Verwaltungsleitung grundsätzliche Zweifel anbrachte, was sich demotivierend auf die Projektgruppe auswirkte. Zweitens kam es, auf Grund der unregelmäßigen Absprachen der Projektgruppe mit der Verwaltung über Fortschritte und Inhalte, zu weitreichenden inhaltlichen Änderungen seitens der Verwaltung, die nicht mit der Projektgruppe abgesprochen waren. Die Amtsleitung schaffte es nicht, die Inhalte der Leitlinien während des Entwicklungsprozesses an die Verwaltungsleitung zu kommunizieren und dessen Änderungswünsche einzuholen, dass sie zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtig werden konnten. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es zu einer Divergenz zwischen der Arbeit der Projektgruppe und den Vorstellungen der Verwaltungsleitung gekommen ist, die hätte verhindert werden können, wenn strittige Punkte besser kommuniziert worden wären.

Kompromisse finden durch den Einsatz eines Mediators

Im vorliegenden Fall hatte der Mediator eine doppelte Vermittlungsrolle inne. Erstens vermittelte er zwischen den unterschiedlichen Meinungen der Verwaltungsmitarbeitenden und zweitens vermittelte er aufkommende Meinungsverschiedenheiten zwischen der Verwaltung und der Projektgruppe.

Die Vermittlungsarbeit innerhalb der Verwaltung stellte sich wie folgt dar: In der zweiten Prozessphase wurde der Leitlinienentwurf der Projektgruppe von der Verwaltung in einem internen Abstimmungsprozess überarbeitet. Dabei spielte der Mediator eine wichtige Rolle, da er die Änderungsvorschläge der Verwaltungsmitarbeiter einarbeitete. Die Vorschläge der Verwaltungsmitarbeiter waren unterschiedlich, manche standen Bürgerbeteiligung negativ gegenüber und reichten weitreichende Änderungsvorschläge ein, während andere eine positive Einstellung von Bürgerbeteiligung hatten und nur wenige Veränderungen vorschlugen.

Bei der Interessensvermittlung zwischen Verwaltung und Projektgruppe, bestand die Aufgabe des Mediators darin, durch informelle Gespräche, die Projektgruppenmitglieder von den Änderungen in der Verwaltung zu überzeugen. Dadurch wurden die, teilweise weitreichenden Änderungen der Verwaltung in dem Verwaltungsentwurf der Leitlinien, im Nachhinein von der Projektgruppe akzeptiert. Das Engagement des Mediators führte so zur Verabschiedung der Innovation.

Ein sachliches Diskussionsklima schaffen

Um ein sachliches Diskussionsklima herzustellen kann die Gruppenzusammensetzung sowie die Einbindung eines externen, neutralen Moderators hilfreich sein.

Durch die Gruppenzusammensetzung konnten Grundsatzdebatten bei der Ausarbeitung der ersten Entwürfe vermieden werden. An der Projektgruppe nahmen hauptsächlich Personen teil, die Bürgerbeteiligung positiv gegenüberstanden, da die Projektgruppe aus Vertretern von bürgerschaftlichen Gruppen, Gemeinderatsmitgliedern sowie Mitarbeitern aus der Verwaltung bestand. So war die Diskussion nicht von Grundsatzdebatten geprägt, sondern fand auf einer sachlichen, lösungsorientierten Ebene statt, die sich auf Details wie die Implementation von Beteiligungsverfahren in Verwaltungsprozesse konzentrierte.

Der Diskussionsprozess wurde zudem von einem externen Moderator begleitet, die sachorientierte Diskussion unterstütze und die inhaltliche Ausarbeitung der Leitlinien begleitete. Zum Beispiel dienten ein Bürgerbeteiligungskonzept einer anderen Stadt als Diskussionsgrundlage, die dann für die Bedürfnisse und Wünsche der Projektgruppe angepasst wurden. Somit wurde die Ideenfindungsphase verkürzt und eine sachliche, konstruktive Diskussion gefördert.

Handlungsempfehlungen für Innovationsentwicklung

Kontinuierliche Kommunikation zwischen Entscheidungsträgern in der Verwaltung und der Projektgruppe, die Entwicklung von Kompromissen durch einen Moderator und die Aufrechterhaltung eines sachlichen Diskussionsklimas haben sich für die Innovationsentwicklung als wichtig herausgestellt. Daraus lassen sich folgende Handlungsempfehlungen ableiten.

1.    Stellen Sie einen regelmäßigen und aussagekräftigen Austausch zwischen Entscheidungsträgern und Entwicklern der Innovation sicher.

So werden die in den einzelnen Phasen erarbeiteten Inhalte, mit Entscheidungsträgern abgestimmt sind und, notfalls, frühzeitig im Prozess geändert.

2.    Beauftragen Sie hoch motivierte Individuen mit der Kompromissfindung. Im Fallbeispiel verkörperte der Mediator diese Rolle. Sie moderieren in Situationen, in denen Meinungsverschiedenheiten den Ausgang des Projekts gefährden, arbeiten Änderungsvorschläge ein und führen die Beteiligten zu einem Kompromiss.

3.    Achten Sie darauf, dass die Gruppenmitglieder gemeinsame Ziele haben.

Dadurch entstehen Konflikte über Grundsatzfragen nur in kleinem Ausmaß. Wenn die Gruppe heterogener zusammengesetzt ist, ist es hilfreich einen externen Moderator hinzuzuziehen, der sachorientierte und konstruktive Diskussionen sowie ein angenehmes Diskussionsklima sicherstellt.

Über die Autorin:

Nathalie Haug hat einen Bachelorabschluss in Politik-und Verwaltungswissenschaften und studiert an der Universität Konstanz im gleichnamigen Masterprogramm. Ihre Forschung umfasst Innovationsentwicklung im öffentlichen Sektor, Digitale Transformation sowie Bürgerbeteiligung.

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