Studierende bei der Gruppenarbeit
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Wie kann man kross-funktionale Teams in der öffentlichen Verwaltung einsetzen?

Nathalie Haug

Kurzzusammenfassung

In der Privatwirtschaft werden kross-funktionale Teams schon seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt, um innovative Produkte zu entwickeln. Kross-funktionale Teams sind Teams, deren Mitglieder aus unterschiedlichen Abteilungen der Organisation stammen. Wie dieses Potential für die öffentliche Verwaltung genutzt werden kann, ist Thema dieses Artikels. Um kross-funktionale Teams einsetzen zu können, sollten folgende Rahmenbedingungen geschaffen werden: Die Ausstattung des Teams mit personellen und zeitlichen Ressourcen, sowie das Ermöglichen von klaren Entscheidungskompetenzen des Teams, damit die Teammitglieder effizient zusammenarbeiten können. Außerdem sollten die Ablaufstrukturen der Verwaltung mit den Abläufen im Team abgestimmt werden. Das ist notwendig, damit die Inhalte, die innerhalb des Teams erarbeitet werden, optimal an die Entscheidungsträger rückgekoppelt werden und keine Zeitverzögerungen entstehen. Damit die unterschiedlichen Sichtweisen der Teammitglieder in die Diskussionsprozesse innerhalb des Teams einfließen können, sollten die sozialen Kompetenzen der Teammitglieder geschult werden. Dazu gehören beispielsweise Offenheit für andere Sichtweisen und konstruktiver Umgang bei Konflikten.

Einbettung in den Kontext

Im privaten Sektor sind kross-funktionale Teams ein Erfolgsrezept für die Entwicklung erfolgreicher und innovativer Produkte. Grund dafür ist, dass die Teammitglieder aus unterschiedlichen Abteilungen stammen, die alle mit dem Produktentwicklungsprozess vertraut sind. Der Vorteil dieser Teamzusammensetzung ist, dass das unterschiedliche Wissen der Teammitglieder, beispielsweise über einzelne Abläufe im Produktentwicklungsprozess, gebündelt wird. Die unterschiedlichen fachlichen Hintergründe der Teammitglieder führen zu unterschiedlichen Sichtweisen auf Problemsituationen, die im Produktentwicklungsprozess entstehen, schneller identifiziert und gelöst werden (Jassawalla & Sashittal, 1999).

Zwar ist die Hauptaufgabe der öffentlichen Verwaltung nicht die Entwicklung eines neuen Produktes, jedoch stellen Herausforderungen wie der demografische Wandel, die Digitalisierung und sich wandelnde Ansprüche der Bevölkerung an die Dienstleistungserbringung der Verwaltung, sie vor Probleme (Head, 2008), die durch den Einsatz kross-funktionaler Teams gelöst werden können. Beispielsweise können kross-funktionale Teams für die Entwicklung neuer Dienstleistungen oder die Umgestaltung von Verwaltungsprozessen eingesetzt werden. Sie bieten eine Möglichkeit alle Beteiligte in den Gestaltungsprozess einzubeziehen, so dass durch die Integration der unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen eine Lösung entsteht, von der die gesamte Verwaltung profitieren kann.

Methodik

In der öffentlichen Verwaltung existiert nur wenig Forschung, die die Zusammenarbeit an sich oder Rahmenbedingungen für erfolgreiche kross-funktionale Teams untersucht. Deshalb ist eine qualitative, interpretative Vorgehensweise gerechtfertigt, da sie zum Ziel hat, theoretische Grundlagen zu erarbeiten, die in weiterer Forschung getestet und verfeinert werden können (Haverland & Yanow, 2012). Für die Datenerhebung wurden 22 qualitative Interviews mit Teammitgliedern einer öffentlichen Verwaltung durchgeführt, die in drei Projekten angesiedelt sind. Die geführten Interviews wurden transkribiert und in einem zweistufigen Analyseverfahren ausgewertet (Miles, Huberman, & Saldaña, 2014).

Wie funktionieren kross-funktionale Teams in der öffentlichen Verwaltung?

Im Folgenden werden die Kommunikations- und Diskussionsprozesse vorgestellt, die in der Zusammenarbeit innerhalb eines kross-funktionalen Teams identifiziert wurden. In kross-funktionalen Teams sind diese Kommunikations- und Diskussionsprozesse besonders wichtig, da so die unterschiedlichen Sichtweisen und das Fachwissen der Teammitglieder in die Erarbeitung neuer Inhalte integriert werden. Zudem werden die Rahmenbedingungen beschrieben, die diese Prozesse beeinflussen können. Dazu gehören zum einen die sozialen Kompetenzen der Teammitglieder und zum anderen die Ressourcenausstattung und Autonomie des Teams sowie Abläufe in der Organisation.

Modus der Zusammenarbeit: Kommunikation und Diskussion

Die Zusammenarbeit in kross-funktionalen Teams gliedert sich in Kommunikations- und Diskussionsprozesse. Diese bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Kommunikationsprozesse, insofern sie offen, wertschätzend und persönlich ablaufen, sorgen dafür, dass die unterschiedlichen Sichtweisen der Teammitglieder in die Lösungsfindung integriert werden. Die Diskussion sorgt vor allem dafür, dass die Teammitglieder die unterschiedlichen Sichtweisen nachvollziehen können und am Ende eine Lösung entsteht, mit der alle Teammitglieder einverstanden sind. Neben der Lösungsfindung findet in den Diskussionen zusätzlich der Austausch von Informationen statt. Beispielsweise besprechen die Teammitglieder ihren Fortschritt im Projekt und teilen ihr Fachwissen über Ansprechpartner oder Abläufe in den Abteilungen. Das unterscheidet ein kross-funktionales Team von anderen Teamzusammensetzungen, da die Teammitglieder exklusives Wissen aus ihren Abteilungen den anderen Teammitgliedern zugänglich machen.

 

Rahmenbedingungen für erfolgreiche Zusammenarbeit

Damit die Kommunikations- und Diskussionsprozesse reibungslos ablaufen, müssen folgende Rahmenbedingungen für kross-funktionale Teams in der öffentlichen Verwaltung gegeben sein.

Soziale Kompetenzen

Auf der Ebene der Teammitglieder ist es wichtig, dass die Teammitglieder mit den passenden sozialen Kompetenzen ausgestattet sind. Diese umfassen einen wertschätzenden Umgang miteinander und Offenheit für die Sichtweisen der anderen Teammitglieder sowie die Fähigkeit, Konflikte konstruktiv lösen zu können. Für kross-funktionale Teams ist das besonders wichtig, da die fachlich diversen Teams durch ihre unterschiedlichen Sichtweisen ein erhöhtes Konfliktpotential aufweisen.

Daneben spielt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit eine Rolle. Eine hohe Bereitschaft äußert sich auf zwei Arten. Erstens sind die Teammitglieder bereit, die Zeit und Energie in das Team zu investieren, die für die Erfüllung der Aufgabe notwendig sind. Zweitens erhöht sich die Bereitschaft, Informationen mit den (fremden) Teammitgliedern zu teilen. Wenn diese Bereitschaft niedrig ist, kann sich das negativ auf den Projektfortschritt auswirken, da zuerst die zwischenmenschlichen Differenzen in der Diskussion besprochen werden müssen, bevor sich das Team der inhaltlichen Arbeit zuwenden kann.

Ressourcenausstattung

Die Ressourcenausstattung des Teams beeinflusst die Zusammenarbeit des kross-funktionalen Teams. Besonders wichtig ist, dass das Team eine ausreichende Größe hat und alle Teammitglieder aus den relevanten Abteilungen vertreten sind, damit es die Aufgaben, die für die Umsetzung der Ziele anfallen, erledigen kann. Damit eng verknüpft sind die zeitlichen Ressourcen der Teammitglieder: Personen, die im Team zusammenarbeiten sollen, müssen auch genügend Zeit haben, um ihre Aufgaben zu bewältigen. Ist dies nicht der Fall, kann sich das negativ auf den Projektfortschritt auswirken, da weniger Aufgaben erledigt werden können oder diese mehr Zeit benötigen. Im schlimmsten Fall reduzieren die Teammitglieder ihren Arbeitsaufwand für das Projekt, um ihr Tagesgeschäft nicht zu vernachlässigen. Als weniger relevant haben sich finanzielle Ressourcen für die Zusammenarbeit herausgestellt. Das könnte daran liegen, dass die für dieses Arbeitspapier untersuchten Teams in Projekte eingebettet sind, die finanzielle Landesförderung erhalten und somit keine Haushaltsmittel der Stadtverwaltung benötigt wurden.

Autonomie und transparente Abläufe in der Organisation

Die Organisationsstruktur beeinflusst vor allem durch die Autonomie des Teams die Zusammenarbeit. Wenn das Team selbstständig Entscheidungen treffen kann, wird die Entscheidungsfindung beschleunigt und die Unsicherheit in Diskussionen reduziert. Das fördert die Zusammenarbeit im Team.

Eine geringe Autonomie des Teams muss aber kein Hindernis für die Zusammenarbeit im Team sein. Eine geringe Autonomie des Teams spiegelt sich darin wider, dass es auf Entscheidungen von Entscheidungsträgern außerhalb des Teams angewiesen ist. Wenn die Entscheidungen, die durch die Ablaufstrukturen in der Verwaltung geregelt sind, transparent an das Team vermittelt werden, hat das Team die Möglichkeit auf Schwierigkeiten, die sich dadurch ergeben, adäquat zu reagieren. Somit ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit auch bei geringer Autonomie sichergestellt.

 

Praktische Implikationen

Aus den beschriebenen Ergebnissen dieser Arbeit ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger, die kross-funktionale Teams in der Verwaltung umsetzen möchten.

1. Stellen Sie die Ressourcenausstattung des Teams sicher

Bevor das Team ins Leben gerufen wird, sollte die Ausstattung mit zeitlichen und personellen Ressourcen rechtzeitig geklärt sein. Falls nicht ausreichend Personal in der Verwaltung vorhanden ist, ist es wichtig, frühzeitig weitere Stellen zu schaffen, damit das Team sich voll und ganz seinen Aufgaben widmen kann. Wenn es nicht möglich ist, weitere Stellen zu schaffen, ist es notwendig, klare Prioritäten zu setzen und diese auch zu kommunizieren. So kann eine Führungskraft beispielsweise symbolisieren, dass es für Teammitglieder in Ordnung ist, Tagesgeschäft liegen zu lassen und sie stattdessen Aufgaben, die im Team anfallen, erledigen können. Außerdem ist es wichtig, regelmäßige Rücksprache mit den Teammitgliedern zu führen, um Überbelastung frühzeitig zu erkennen.

2. Kommunizieren Sie die Entscheidungskompetenz des Teams transparent

Neben der Ressourcenausstattung des Teams ist es zudem wichtig, dass die Entscheidungskompetenz des Teams festgelegt und an das Team kommuniziert wird. Wenn das Team weiß, worüber es entscheiden darf und wie Entscheidungen mit welchen relevanten Entscheidungsträgern abgesprochen werden müssen, kann es freier über Projektinhalte und Ideen diskutieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Unsicherheit über die Aufgabenstellung reduziert wird.

Bei geringer Autonomie des Teams hilft es, dem Team klare Kommunikationskanäle zu den Entscheidungsträgern sicherzustellen. So ist gewährleistet, dass die erarbeiteten Inhalte frühzeitig abgestimmt und bei Meinungsverschiedenheiten die Vorgehensweise angepasst werden kann. In der Folge wird die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass die Ergebnisse der Arbeit des Teams mit den Vorstellungen der Verantwortlichen kollidieren.

3. Ermöglichen Sie reibungslose Diskussionsprozesse im Team

Wenn die Zusammenarbeit im Team angelaufen ist, sollte die Führungskraft darauf achten, dass Kommunikations- und Diskussionsprozesse innerhalb des Teams so reibungslos wie möglich ablaufen. Wenn Streitigkeiten auftreten, die die Zusammenarbeit im Team gefährden, ist es eine Lösung, die sozialen Kompetenzen der Teammitglieder gezielt zu fördern. Des Weiteren kann bei der Zusammenstellung des Teams darauf geachtet werden, dass Teammitglieder rekrutiert werden, die diese Kompetenzen von vorne herein mitbringen. Ein anderer Lösungsweg kann sein, eine Teamleitung zu benennen, die bei Streitigkeiten moderieren kann und darauf achtet, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen und keine Missverständnisse entstehen.

Die genannten Rahmenbedingungen Ressourcenausstattung, Teamautonomie, Kommunikationskanäle zwischen Entscheidungsträgern und Teammitgliedern sowie Konfliktlösungsstrategien können dabei helfen, die Zusammenarbeit in kross-funktionalen Team zu einem besseren Ergebnis zu führen.

Zentrale Punkte

Die Zusammenarbeit in kross-funktionalen Teams läuft hauptsächlich über zwei Prozesse ab: Kommunikation zwischen den Teammitgliedern und Diskussion über Projektideen und Inhalte. Um diese kross-funktionale Zusammenarbeit erfolgreich zu gestalten, ist es wichtig, dass das Team mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet ist. Außerdem muss das Team über dessen Entscheidungskompetenzen und deren Befugnisse Bescheid wissen, damit die Diskussionen zielführend sind. Die Kommunikations- und Diskussionsprozesse an sich werden ferner von der sozialen Kompetenz der Teammitglieder beeinflusst, da so Diskussionen über Inhalte konstruktiver geführt werden können. Wie diese Prozesse in anderen Verwaltungen ablaufen, wurde noch nicht untersucht und könnte Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten sein.

Über die Autorin:

M.A. Politik-und Verwaltungswissenschaft

Nathalie Haug hat an der Universität Konstanz den Bachelor- und Masterstudiengang Politik- und Verwaltungswissenschaft studiert. Den Schwerpunkt in ihrem Masterstudiengang legte sie auf Verwaltung und Management. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie, wie Zusammenarbeit in kross-funktionalen Teams abläuft und wie eine Kommunalverwaltung gestaltet sein sollte, um kross-funktionalen Teams das passende Umfeld zu geben. Neben dem Studium war sie am Lehrstuhl für Public Administration tätig und durfte dort, im Rahmen des EU CoVAL Projekts, an Themen über die Digitalisierung mitarbeiten.

E-Mail

Twitter: @nathalieHPunkt