Öffentlich-bürgerliche Kollaborationen zu offenen Daten: Auswirkungen auf Strukturen und Prozesse der öffentlichen Verwaltung

Patrick Hamm

Kurzzusammenfassung

Ziel der Arbeit war es, Auswirkungen von Kollaborationen zwischen Bürger*innen und der öffentlichen Verwaltung im Bereich offener Daten zu untersuchen. Der Fokus lag dabei auf Veränderungen der bestehenden Strukturen und Prozesse der Verwaltung, die einem Fortschritt im Bereich offener Daten oft im Weg stehen. Die hierzu untersuchten Kollaborationen im Rahmen des Projektes „Code for Germany“ zeigten, dass großflächige Veränderungen noch ausbleiben, aber die Basis für zukünftige Änderungen geschaffen werden. Gerade die Lerneffekte bei der Verwaltung, das Aufzeigen des positiven Nutzens offener Daten und ein erhöhter Handlungsdruck sind dabei hervorzuheben.

Einbettung in den Kontext

In den vergangenen Jahren hat das Konzept von „Open Government“ stark an Bedeutung für die öffentliche Verwaltung gewonnen durch das erhöhte Transparenz, Partizipation und Kollaborationen angestrebt werden. Frei veröffentlichte und verwendbare Daten der Verwaltung, bekannt als offene Daten („Open Data“), nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein und bieten das Potenzial für zahlreiche Anwendungen.

Trotz der hohen Ziele der Bundesregierung, internationaler Vorreiter im Bereich Open Data zu werden, bestehen hierzulande noch klare Defizite. In der Forschung wird vor allem die risikoaverse Haltung der öffentlichen Verwaltung gegenüber Neuerungen als Ursache identifiziert bzw. das Festhalten an den bestehenden Prozessen und Strukturen (Parycek, Schöllhammer & Schossböck, 2016).

Als Möglichkeit zum Wandel wird speziell auf die Zusammenarbeit der Verwaltung mit dem Bürger verwiesen. So können Städte mit Open-Data-interessierten Bürger*innen zusammenarbeiten, um Fortschritte im Umgang mit offenen Daten zu machen und neue Möglichkeiten aufgezeigt zu bekommen (Mergel, Kleibrink & Sörvik, 2018). Inwiefern sich diese Kollaborationen tatsächlich auf die Prozesse und Strukturen der Verwaltung auswirkt, ist in Deutschland weitestgehend unerforscht.

Methodik

Um vergleichbare Fälle zu untersuchen, wurden Kollaborationen von Open-Data-Interessierten und Stadtverwaltungen im Rahmen des deutschlandweiten Projektes „Code for Germany“ (CfG) betrachtet. Durch CfG sind landesweit sogenannte Open Knowledge Labs (OK Labs) entstanden, in welchen interessierte Bürger*innen mithilfe offener Daten u.a. Anwendungen entwickeln, teilweise aber auch mit den Stadtverwaltungen zusammenarbeiten. Pro Stadt wurde entweder eine Person als Vertretung beider Seiten (falls vorhanden) oder zwei einzelne Personen interviewt, wodurch sich (potenziell) unterschiedliche Wahrnehmungen herausstellen ließen. Insgesamt wurden elf semistrukturierte Interviews über neun Städte geführt, welche die Fokussierung auf bestimmte Themengebiete ermöglichten (Qu & Dumay, 2011). Hierzu zählte die Einbindung der Bürger*innen, die Integration und Verwendung offener Daten, geänderte Abläufe und die Arbeitsstellen der Verwaltung. Die Auswertung der Interviews erfolgte in einem zweistufigen Codierungsprozess, entsprechend dem Ansatz von Saldaña (2013).

Ergebnisse der Arbeit

1. Einbindung der Bürger*innen

Vielerorts erhöhte sich die Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit der Beteiligung der Bürger*innen durch größere gemeinsame Projekte (z.B. an neuen Systemen) und Veranstaltungen. Eine großflächige Aufmerksamkeit auf die Bürger*innen ist innerhalb der gesamten Verwaltung bisher nur in einzelnen Vorreiterstädten erkennbar.

Gerade bei technischen Fragen wird vermehrt die Expertise der OK Labs eingeholt, wenngleich eine feste Einbindung der Bürger*innen in die Arbeit der Städte nur auf einzelne Projekte oder Veranstaltungen limitiert ist, auch aufgrund zeitlicher und finanzieller Probleme einer solchen Zusammenarbeit.

2. Integration und Verwendung offener Daten

Die Zusammenarbeit steigerte deutlich die Bekanntheit des Themas offener Daten, das mancherorts noch nahezu unbekannt war. In ersten Städten ist das Thema in der gesamten Verwaltung angekommen und hat für ein besseres Verständnis im Umgang mit Daten geführt, letzteres dank dem gegenseitigen Austausch. Die Datensensibilisierung ermöglichte den Abbau von mehrfach geführten Daten innerhalb verschiedener Abteilungen und der anfänglichen Skepsis vieler Mitarbeitenden gegenüber offenen Daten.

Der (sichtbare) Nutzen offener Daten hat die Verfügbarkeit zwar in einigen Städten erhöht, jedoch besteht insgesamt noch viel Verbesserungspotenzial. Aufgrund des Mangels an Daten findet auf Seiten der Städte deshalb kaum eine Verwendung statt.

3. Geänderte Abläufe in der Verwaltung

Insgesamt zeigten sich nur wenige Veränderungen bei den Abläufen innerhalb der Verwaltungen. Trotzdem entstanden Optimierungen von Abläufen und stellenweise sogar veränderte Verwaltungskulturen (z.B. hinsichtlich der Digitalisierung und Fehlerkultur). Neben dem erhöhten Bewusstsein für mehrfach geführte Daten, hat sich teilweise auch die Datenbereitstellung durch die Lerneffekte und das Fordern der Bürger*innen nach mehr Daten verbessert. So wird zum Teil die Datenbereitstellung automatisiert bzw. der Zugriff auf Daten vereinfacht.

4. Arbeitsstellen der Verwaltung

Die Kollaborationen hatten auch einen Anteil an der Schaffung verschiedener Arbeitsstellen, welche u.a. das Fördern des Themas offener Daten in der eigenen Verwaltung bzw. Kollaborationen mit Bürger*innen beinhalten. Auch wechselten einige Mitglieder*innen der OK Labs nach vorheriger Zusammenarbeit in die Verwaltung, wodurch eine besonders starke Verbindung zwischen beiden Seiten besteht. Mehrheitlich ist der Kontakt zu den OK Labs von engagierten Einzelpersonen abhängig. Diese nehmen häufig an Treffen der OK Labs teil, um sich auszutauschen oder über Projekte zu sprechen. Gerade der für Verwaltungen ungewöhnlich informelle und offene Austausch wurde dabei positiv hervorgehoben.

Theoretische & praktische Implikationen

Die Ergebnisse bestätigten, dass Kollaborationen eine engere Einbindung der Bürger*innen fördern, wenngleich der Arbeitsalltag größtenteils unberührt blieb. Gerade die beschleunigende Funktion bei der Umstellung der Arbeit zu mehr offenen Daten präsentierte sich als neu, da viele Änderungen ohne die Open-Data-Interessierten nicht entstanden wären (fehlender Handlungsdruck und positive Beispiele). Auch wenn die Arbeitsabläufe der öffentlichen Verwaltung noch häufig unverändert blieben, bilden die Zusammenarbeit und resultierende Lerneffekte die Grundlage für zukünftige Veränderungen in der Verwaltung. Innerhalb der Verwaltungen zeigte sich der Mehrwert speziellen Personals, welches sich um offene Daten und die Kollaborationen kümmert. Mitglieder beider Seiten nehmen eine entscheidende Funktion ein, da ein offener, informeller Austausch ermöglicht bzw. institutionalisiert wird. Die beschleunigende Wirkung der Kollaborationen auf interne Veränderungen verdeutlicht den Bedarf für stärkere Zusammenarbeit. Diese ist wiederum von unterschiedlichen Faktoren abhängig: eine bessere finanzielle Förderung (auch zur Aufwandsentschädigung der Bürger*innen) und zentrale Anlaufstellen für Kollaborationen. Die geringe Teilnahme von Frauen und fehlende Forcierung einer besseren Datenbereitstellung bzw. Zusammenarbeit mit Bürger*innen (Seitens der Politik) fielen ebenfalls auf.

Zusammenfassung

Die Auswirkungen der Kollaborationen auf Strukturen und Prozesse zeigten sich insgesamt zurückhaltend. Gleichzeitig erhöhte sich die Aufmerksamkeit auf offene Daten und es entstanden Lerneffekte, welche die Basis für zukünftige Veränderungen schaffen. Um die hochgesteckten Ziele beim Thema Open Data zu erreichen, sollte von Seiten der Politik die Zusammenarbeit stärker gefördert werden. Eine einheitliche Strategie ist derzeit nicht erkennbar.

Da es aktuell erst wenige (größere) Kollaborationen gibt, kann in Zukunft besser untersucht werden, wie sich die Zusammenarbeit auswirkt. Ein Vergleich mit anderen Ländern bietet sich ebenfalls an, auch um neue Möglichkeiten zur Förderung der Kollaborationen zu identifizieren.

Über Patrick Hamm:

Patrick Hamm hat im Bachelorstudium Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Konstanz studiert und sein Masterstudium Politik- und Verwaltungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Management und Verwaltung abgeschlossen. Zu seinen Forschungsinteressen zählte die digitale Transformation und strukturelle Veränderungen der öffentlichen Verwaltung.

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