Die Entwicklung eines digitalen Service Designs in der öffentlichen Verwaltung am Beispielprozess der Hundesteueranmeldung
Laura Csulits
Kurzzusammenfassung
Durch das 2017 erlassene Onlinezugangsgesetz sind Verwaltungen deutschlandweit dazu verpflichtet, ihre Dienste den Bürger*innen digital anzubieten. Damit die Bürger*innen entsprechende Onlinedienste auch nutzen, müssen diese nutzerfreundlich, also nach den Bedürfnissen der Nutzer*innen, gestaltet werden. Auch die Hundesteueranmeldung stellt einen der 575 im Rahmen des Onlinezugangsgesetz erfassten Dienstleistungen dar. Der Prozess Hund anmelden wurde zu Beginn der Untersuchung bereits in zwei Varianten digital angeboten. Zum einen als Beta-Test-Version über die Homepage Serviceportal Baden-Württemberg (service-bw.de). Zum anderen als digitales Antragsverfahren, das über den sogenannten Formularserver bereitgestellt wird. Mit Hilfe von Process-Owner- und Experteninterviews sowie Nutzertests konnten Schwachstellen der angebotenen digitalen Dienstleistungen sowie Verbesserungsvorschläge identifiziert werden. Durch die Nutzertests wurde deutlich, dass die digitale Version auf service-bw.de insgesamt von den Nutzer*innen besser bewertet wurde. Änderungen sollten in Hinblick auf die Informationsseite, der Angabe der Hunderasse sowie der Bezahlfunktion vorgenommen werden, um den digitalen Prozess hinsichtlich seiner Nutzerfreundlichkeit und Effektivität zu verbessern.
Einbettung in den Kontext
Um die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse erfolgreich umzusetzen, ist es wichtig, die Bedürfnisse der Bürger*innen zu berücksichtigen. Das Serviceverständnis der öffentlichen Verwaltung und der Nutzer*innen liegt jedoch zum Teil weit auseinander. Alford (2009) beschreibt, wie die Nutzer*innen oftmals als passive Akteure gesehen werden, die lediglich von den Outcomes der Dienstleistung (z.B. ausgestellter Steuerbescheid) tangiert werden. Nutzer*innen gestalten die Dienstleistungen bisher nicht aktiv mit.
Methodik
Um herauszufinden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit der digitale Prozess der Hundesteueranmeldung in Hinblick auf Nutzerfreundlichkeit und Effektivität verbessert wird, wurden Process-Owner-, Experteninterviews sowie Nutzertests durchgeführt. Die Untersuchung erfolgte für die Stadt Freiburg im Breisgau.
Der Prozess der Hundesteueranmeldung wurde zu Beginn der Untersuchung als Beta-Test-Version über die Homepage service-bw des Landes Baden-Württemberg sowie als digitales Antragsverfahren, das über den Formularserver bereitgestellt wird, angeboten.
Auswahl Process-Owner und Experten
Process-Owner sind sogenannte Expert*innen, die verwaltungsspezifische interne Abläufe sowie die Nutzer*innen der Dienstleistung kennen (Theil, 2018). Mit Hilfe des service-bw Prozessblogs, auf dem Neuigkeiten über den Fortschritt digitaler Dienstleistungen veröffentlicht werden, wurden verschiedene Process-Owner identifiziert, mit denen im Anschluss Interviews geführt wurden.
Nach Durchführung und erster Auswertung der Interviews wurde deutlich, dass bei den Process-Ownern nur begrenztes Wissen in Hinblick auf den Entstehungsprozess der digitalen Dienstleistung Hund anmelden vorlag. Zudem haben nicht alle auf dem service-bw Prozessblog ausgeschriebenen Städte die service-bw Beta-Test-Version auch tatsächlich angeboten. Aufgrund dessen wurde ein weiteres Interview mit dem offiziellen IT-Dienstleister des Landes Baden-Württemberg geführt.
Insgesamt wurden fünf Process-Owner- sowie ein Experteninterview geführt. Hierbei wurden Städte involviert, die entweder die service-bw Beta-Test-Version oder das Antragsverfahren, das über den Formularserver bereitgestellt wird, anbieten. Städte, die die service-bw Beta-Test-Version aus bestimmten Gründen nicht bzw. noch nicht online anboten, jedoch auf dem service-bw Prozessblog als Pilotstädte ausgeschrieben waren, wurden ebenfalls interviewt, da diese mit der Entwicklung des Prototypen vertraut sein sollten.
Durchführung der Nutzertests
Nutzertests dienen dazu, die Sicht der Bürger*innen auf den Prozess zu verstehen und in den Entwicklungsprozess der digitalen Dienstleistung miteinzubeziehen. Im Allgemeinen untersuchen Nutzertests die Bedienbarkeit der Prozesse.
Die Proband*innen für die Tests wurden über die Ansprechperson in der Stadtverwaltung Freiburg rekrutiert. Es wurden ausschließlich Personen eingeladen, die selbst einen Hund haben und den Prozess somit selbst verwenden werden. Insgesamt wurden fünf Nutzertests durchgeführt, wobei die Nutzer*innen die beiden bestehenden Online-Anträge durchspielen und kommentieren mussten. Dieses Verfahren nennt man A/B-Test. Durch A/B-Tests können verschiedene Ansätze untersucht werden, um zu ermitteln, welcher Ansatz den Bedürfnissen der Nutzer*innen entspricht. Zu Beginn wurde bei einem Pre-Task Interview Fragen über die Erfahrungen, die die Nutzer*innen bereits mit digitalen Dienstleistungen gemacht haben, gestellt. Anschließend begann der eigentliche Test, bei dem den Proband*innen zwei bestehende Online-Anträge präsentiert wurden, welche von den Proband*innen eigenständig durchgespielt wurden. Es wurde mit der Think Aloud Methode darauf geachtet, dass die Proband*innen laut denken, während sie eine zugewiesene Aufgabe erledigen. Im anschließenden Post-Task Interview wurden Fragen zur subjektiven Wahrnehmung und zu Verbesserungen der Online-Anträge gestellt (Marsh, 2018). Die Interviews und Nutzertests wurden transkribiert und ausgewertet.
Ergebnisse der Arbeit
Aus den Interviews wurde deutlich, dass die Entwicklung der digitalen Dienstleistung durch das Innenministerium in Baden-Württemberg und den kommunalen IT-Dienstleister als fortschrittlich beschrieben werden kann, da einerseits alle Nutzer*innen des Prozesses, also Bürger*innen (Kolleg*innen und Familie) und Verwaltung, miteinbezogen werden. Andererseits werden Ideen so lange weiterentwickelt, bis ein befriedigendes Endergebnis zustande kommt.
Die service-bw Beta-Test-Version wurde im Vergleich zu dem Antragsverfahren des Formularservers von den Nutzer*innen insgesamt besser bewertet. Allgemein ergaben die Nutzertests, dass es für die Bürger*innen in erster Linie wichtig ist, dass sie den Prozess einfach auf der Homepage der jeweiligen Stadt auffinden. Die Angaben zur Rasse des Hundes fanden viele umständlich, da lediglich eine Auswahl der Kampfhunderassen möglich war. Alles Weitere musste manuell eingetragen werden. Bei der Rubrik Mischling taten sich viele Nutzer*innen schwer, wenn der Hund aus dem Tierheim kam. Die Nachvollziehbarkeit der Rasse des Mutter- bzw. des Vatertiers ist hierbei nicht unbedingt gegeben. Diese Problematik entstand bei beiden Antragsverfahren.
Theoretische & praktische Implikationen
Aus den Interviews und den Nutzertests können fünf Punkte abgeleitet werden, um den digitalen Prozess der Hundesteuer möglichst nutzerfreundlich und effektiv zu gestalten:
Insgesamt haben alle Nutzer*innen die service-bw Beta-Test-Version der Formularserver Version vorgezogen, da beim Durchspielen schlichtweg weniger Probleme aufgetreten sind. Dies erkennt man an Abbildung 1 sowie Abbildung 2 (letzte Spalte Probleme).
Während bei der service-bw Beta-Test-Version lediglich Probleme zu Beginn sowie bei der Angabe der Hunderasse auftraten, entstanden bei der Formularserver-Version zusätzliche Probleme. Beispielsweise hatte man die Möglichkeiten Anlagen hochzuladen. Die Nutzer*innen wussten auf Grund fehlender Informationen nicht, um welche Anlagen es sich handeln könnte.
Die Informationsseite des Prozesses, auf der beispielsweise die Preise der Hundesteuer hinterlegt sind, sollte als diese gekennzeichnet werden. Eine Information, welche Angaben bzw. welche Dokumente benötigt werden, wäre ebenfalls von Vorteil.
Eine weitere Erkenntnis umfasste die Angabe der Hunderasse. Die Auswahl der Hunderassen beschränkt sich aktuell auf die Kampfhunderassen. Andere Rassen müssen manuell eingetragen werden. Hierbei könnten die die circa 350 vom Verband für das Deutsche Hundewesen definierten Hunderassen eingebunden werden. Bei der Auswahl Mischling und der weiteren Angabe zu der Rasse des Mutter- bzw. Vatertiers sollte zudem die Möglichkeit unbekannt angeboten werden, da beispielsweise eine Ungewissheit bei der Mischung von Hunden aus dem Tierheim besteht. Zusätzlich könnte man ein Kommentarfeld hinzufügen, um abzufragen, wieso die Rasse unbekannt ist.
Um den Prozess abzuschließen, wünschten sich die Nutzer*innen eine Online-Bezahlfunktion. Da es aktuell keine online Bezahlfunktion gibt, die wiederkehrende Zahlungen ermöglicht, könnte vorläufig auf ein einmaliges SEPA-Lastschriftmandat zurückgegriffen werden.
In den Nutzertests wurde zudem abgefragt, ob die E-ID des Personalausweises verwendet wird. Dies hatte den Grund, dass bei den Process-Owner-Interviews das Bedenken geäußert wurde, Hunde könnten fälschlicherweise für eine andere Person angemeldet werden. Ein verpflichtender Identitätsnachweis über die E-ID des Personalausweises kann nicht empfohlen werden, da keiner der Nutzer*innen diese Funktion freigeschalten hat.
Die folgenden Grafiken enthalten die aus den Nutzerinterviews abgeleitete User-Journey bzw. Nutzerreise. Die beiden Abbildungen veranschaulichen, welche Phasen bzw. Schritte die Nutzer*innen (Spalte „Phasen“) während des Antragsverfahrens durchlaufen, sowie die Probleme, die dabei auftreten (Spalte „Probleme“). Der Kontext der Phase wird ebenfalls miteinbezogen (Spalte „Kontext“) und welche aktiven Eingaben die Nutzer*innen jeweils machen müssen (Spalte „Aktivitäten“). In der Spalte „Berührungspunkte“ wird dargestellt, wie die Nutzer*innen in Kontakt mit der Verwaltung kommen.
Wie man an Abbildung 1 erkennen kann, traten zu Beginn des service-bw Prozesses Probleme in Hinblick auf die Informationen auf, da die Nutzer*innen durch unverständliche Informationen nicht wussten, was genau die nächsten Schritte sein sollten. Bei der Angabe der persönlichen Daten kam es zu keinen Problemen. Ein weiteres Problem ergab sich bei der Angabe der Rasse. Nutzer*innen konnten hier teilweise keine eindeutige Angabe liefern, da es sich um einen Tierheimhund handelte, bei dem nicht eindeutig festgestellt werden konnte, um welche Rasse es sich bei der Mischung handelt. Dies ist für die Besteuerung jedoch ausschlaggebend. Während die weiteren Schritte in Hinblick auf die Angabe weiterer Hunde sowie das Hochladen von benötigten Dokumenten zu keinen Problemen führten, war der letzte Schritt der Bezahlung für die Nutzer*innen nicht zufriedenstellend, da der Prozess online nicht abgeschlossen werden kann. Es fehlt die Möglichkeit der Bezahlung.
In Abbildung 2 wird deutlich, dass direkt zu Beginn Probleme in Hinblick auf die Datenschutzerklärung auftraten, welche sich über das gesamte Display erstreckte und von keinem der Nutzer*innen durchgelesen wurde. Auch bei diesem Prozess traten Probleme auf, da bei Tierheimhunden keine genauen Angaben zur Rasse gemacht werden konnte. Zudem wurden die Nutzer*innen aufgefordert Dokumente hochzuladen, dies wusste die Nutzer*in vorher jedoch nicht, was einen großen Mehraufwand bedeutet, bis man die entsprechenden Dokumente zusammen hat. Die Angaben zu dem Vorbesitzer*in können zum Teil ebenfalls nicht wahrheitsgemäß getroffen werden, da dies bei Tierheimhunden oftmals unbekannt ist, bzw. nicht vermerkt wird. Anschließend sollen die Nutzer*innen Anlagen hochladen, jedoch fehlt der Hinweis, um was für Anlagen es sich handeln könnte. Der letzte Schritt war auch bei diesem Prozess für die Nutzer*in nicht zufriedenstellend, da auch hier die Möglichkeit der Bezahlung fehlt.
Zentrale Punkte
Die Entwicklung der digitalen Dienstleistungen kann bereits als fortschrittlich erachtet werden, da verschiedene Personengruppen in die Entwicklung miteinbezogen werden. Nichtsdestotrotz muss bei den Nutzertests vermehrt darauf geachtet werden, dass nicht nur Bürger*innen im Sinne von Kolleg*innen und Familie befragt werden, sondern Bürger*innen, die die Dienstleistung im weiteren Verlauf auch nutzen werden und somit ein gewisses Insiderwissen besitzen. Am Beispiel der Hundesteuer würden somit nur Hundebesitzer*innen befragt werden und somit hätte man einen direkten Aufschluss über die Nutzerfreundlichkeit und Effektivität des Prozesses.
Durch die Methode des A/B-Tests hat man die Möglichkeit zwei Versionen direkt zu vergleichen und noch vor Ort, gemeinsam mit den Nutzer*innen, abzuwägen, welche Schritte man verändern bzw. anpassen muss. Dies hat den Vorteil, dass die Nutzer*innen durch direktes Feedback an der Weiterentwicklung beteiligt sind und so garantiert wird, dass entsprechende Änderungen nutzerfreundlich sind.
Mit Hilfe der User-Journey konnte der neue Prozess entwickelt werden, in dem darauf geachtet wurde, dass die entstandenen Probleme umgangen, bzw. gelöst werden. Die User-Journey kann also als eine Art Leitfaden für die Entwicklung neuer Prozesse genutzt werden, da Bürger*innen aktiv an der Entwicklung miteinbezogen werden und somit eine breite Akzeptanz und Zufriedenheit sichergestellt wird. Funktionierende Phasen werden beibehalten, Probleme werden überarbeitet.
Über die Autorin:
Laura Csulits studierte von 2016 bis 2020 an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften und legte ihren Schwerpunkt hierbei auf die Bereiche Management und Verwaltung. Seit ihrem Bachelorabschluss arbeitet Laura Csulits als persönliche Referentin eines Landtagsabgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg.